Heimliche Tonaufnahme am Arbeitsplatz als Kündigungsgrund?
von Lieb Rechtsanwälte
Besprechung der OGH-Entscheidung vom 21.04.2023 – 8 ObA 18/23i und ein Blick ins Nachbarland Deutschland
Der OGH hatte sich jüngst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die heimliche Tonaufnahme eines Gesprächs zwischen zwei Vorgesetzten durch eine Arbeitnehmerin einen Entlassungsgrund darstellt und eine Kündigung rechtfertigt.
Die Vorstandssekretärin einer Bank ließ ihr Handy an ihrem Arbeitsplatz bei aktiver Tonaufnahme liegen, um in ihrer Abwesenheit ein Gespräch zwischen ihrem Vorgesetztem und einem Vorstandsmitglied, in dessen Sekretariat sie arbeitete, aufzunehmen. Sie wollte erfahren, was in ihrer Abwesenheit über sie gesprochen wird. Die Aufnahme wurde bemerkt und der Arbeitnehmerin die Kündigung ausgesprochen. Die Arbeitnehmerin ging gerichtlich gegen ihre Entlassung vor.
Bislang hatte die Rechtsprechung nur solche Fälle zu entscheiden, bei denen Arbeitnehmer Gespräche zwischen sich selbst und einer weiteren Person – in der Regel dem Arbeitgeber / Vorgesetztem – aufgenommen hatten. Im Unterschied hierzu zeichnete die Klägerin eine Konversation auf, an der sie selbst nicht beteiligt war.
Nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0031784) begründet die heimliche Aufnahme eines Gesprächs mit dem Arbeitgeber durch einen in einer Vertrauensposition beschäftigten Arbeitnehmer Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Nr.1 letzte Variante des Angestelltengesetztes (AngG) und damit einen Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Tonaufnahme einer geschäftlichen Besprechung unter vier Augen ohne die Zustimmung des Gesprächspartners rechtswidrig ist.
Auch im hier gegenständlichen Fall kamen die Gerichte zu dem Ergebnis, dass das Tatbestandsmerkmal der Vertrauensunwürdigkeit gegeben ist. Der OGH konstatiert darüber hinaus, dass das heimliche Aufzeichnen eines Gesprächs nicht nur die Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Nr. 1 AngG begründet, sondern auch im Unterschied zur Aufzeichnung eines eigenen Gesprächs, den Straftatbestand des § 120 I StGB (Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten) erfüllen kann. Die Kündigung war damit berechtigt.
Ein Blick nach Deutschland:
Auch deutsche Arbeitsgerichte hatten sich bereits mit heimlich erstellten Tonaufnahmen am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen. Zuletzt beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19.11.2021 – 2 Sa 40/21) mit folgendem Sachverhalt: Ein Arbeitnehmer hatte heimlich ein Gespräch, welches er mit seinem Vorgesetzten führte, mitgeschnitten. Auch in diesem Falle wurde die Tonaufnahme dem Arbeitgeber bekannt und er kündigte seinem Arbeitnehmer fristlos, hilfsweise ordentlich. Der betroffene Arbeitnehmer reichte Kündigungsschutzklage ein. Im Gegensatz zu dem obigen österreichischen Fall, erfolgreich. Das LAG wertete sowohl die außerordentliche wie auch die ordentliche Kündigung als unwirksam. Grundsätzlich könne zwar der heimliche Mitschnitt eines vertraulichen (Personal-)Gesprächs eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, entscheidend seien jedoch die Würdigung der Gesamtsituation und der Schweregrad des Rechtsverstoßes des Arbeitnehmers. Ein solcher Rechtsverstoß sei bei einer heimlichen Tonaufnahme eines vertraulichen Gesprächs grundsätzlich gegeben, schließlich werde der Straftatbestand des § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) verwirklicht.
Dieser Rechtsverstoß könne aber in einem milderen Licht erscheinen, wenn der Arbeitnehmer aus einer Notlage heraus handle, um eigene, seitens des Arbeitgebers gefährdete Rechtspositionen zu wahren. Der Arbeitnehmer rechtfertigte im gegenständlichen Fall die Aufnahme damit, der Vorgesetzte habe bereits im Vorfeld ihm gegenüber unsachliche, diskriminierende und ehrverletzende Äußerungen getätigt. In dem Vieraugengespräch habe er erneut mit derartigen Aussagen gerechnet. Vor diesem Hintergrund bewertete das LAG die Kündigung für nicht angemessen. Das Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiege bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.
Losgelöst von diesem Fall bewerteten andere Arbeitsgerichte die heimliche Aufnahme eines vertraulichen Gesprächs als eine wesentliche Verletzung der Pflichten zur Rücksichtnahme (§ 241 II des deutschen BGB). Eine Kündigung nach Mittschnitt eines Gesprächs sei regelmäßig – sowohl in der fristgerechten als auch fristlosen Form – gerechtfertigt. Das LAG Hessen (Urteil vom 23.08.2017 – 6 Sa 137/17) hatte entschieden, dass der Arbeitnehmer durch eine heimliche Aufnahme eines mit seinem Vorgesetzten geführtes, vertrauliches Gespräch die Vertraulichkeit des Wortes derart verletzt, dass dem Arbeitgeber ein Festhalten am Arbeitsverhältnis in aller Regel nicht zumutbar ist.
In einer älteren Entscheidung betonte das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 19.07.2012 – 2 AZR 989/11) den Schutz der Vertraulichkeit des Wortes. Auch das BAG konstatierte, dass der heimliche Mitschnitt eines vertraulichen Gesprächs „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Eine heimliche Aufnahme sei eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme und verletze das Persönlichkeitsrecht der beteiligten Gesprächsteilnehmer. Auch ein nicht den Tatbestand des § 201 StGB erfüllendes Verhalten könne eine Kündigung rechtfertigen. Entscheidend sei, ob durch die Aufnahme das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig zerstört ist.
Fazit:
Die heimliche Aufnahme eines vertraulichen Gesprächs am Arbeitsplatz kann eine Kündigung des Arbeitnehmers rechtfertigen. Dies gilt sowohl in Bezug auf Gespräche zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten, insbesondere aber bei der Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Dritten. Neben arbeitsrechtlichen Konsequenzen droht die Einleitung eines Strafverfahrens wegen § 120 StGB (bzw. in Deutschland: § 201 StGB).